Es ist 4 Uhr in der Frühe. Ich war gerade im Badezimmer und wollte mich fertig machen fürs Bett. Im vornherein hatte ich schon entschieden, dass ich das Witr-Gebet nicht verrichten würde. Dabei dachte ich mir: "Unter der Woche machst du immer so viel und jetzt ist Wochenende. Schalt mal einen Gang runter, dann hast du wieder neue Energie." Wenn ich jetzt so überlege, klingt das so absurd und unlogisch. Ich meine, was für Energie? Das ist eine Sache von weniger als zwei Minuten. Waren das wirklich meine eigenen Gedanken? Oder versucht mir da jemand, über den ich nicht verfügen kann, mir etwas einzureden? In diesem Moment schien mir dieser Grund aber ziemlich plausibel.
Während ich dann Wudhu nahm, überlegte ich ein weiteres Mal: "Wieso soll ich das Witr-Gebet eigentlich nicht machen? Das dauert doch nicht." Und je weiter ich diesen Gedanken verfolgte umso mehr machte sich ein innerer Widerstand in mir breit. So sehr, dass ich das Gefühl hatte, ich darf es jetzt auf gar keinen Fall verrichten, sonst habe ich verloren.
Ja, warte mal. Gegen wen verloren? Dich selbst? Trotzdem rief es immer mehr in mir, dass ich das Witr-Gebet bloß nicht verrichten soll. 'Was ist denn schon dabei, wenn ich es einmal sausen lasse?'
Mit einem Mal wurde mir bewusst, dass diese nicht meine eigenen Gedanken waren und ich einem Einfluss unterlag. Einem Einfluss, den ich aber leicht entkommen konnte - indem ich einfach mal einen Entschluss traf: Ab ins Zimmer, Hijab anziehen, und Witr verrichten. Ich fühlte mich wie erlöst. Und befreit. Und ich wusste, ich hatte gewonnen.
Dieser innerer Kampf. Den muss jeder von uns ausfechten. Aber leider merken wir gar nicht, dass nicht wir diejenigen sind, die sich davor streuen eine gute Tat zu vollbringen, sondern jemand anderes verleitet uns dazu. Und wir geben dem immer so schnell nach, nichtsahnend natürlich. Meistens muss man aber erst das Problem erkennen, um der Lösung auf der Spur zu sein. Und wenn man merkt, alles im Körper und im Kopf schreit geradezu danach, eine gute Tat nicht zu vollbringen, dann ist es am besten, es gerade dann zu tun. Biete dem Shaytan Einhalt und lass ihn nicht gewinnen! Aber sag nicht 'Ich werde immer siegen'. Nein. Nur dieses eine Mal. Und dann wieder. Und wieder. Bis du weißt, du hast die Kontrolle über dich selbst.
"Er sprach: 'Drum, bei Deiner Macht, wahrlich, verführen will ich sie insgesamt, außer Deinen Dienern unter ihnen, den lauteren.'" [Surah 38, Vers 82,83]